Unter freiem Himmel zu „Jerusalema“ tanzen, auf dem Sportplatz die ersten Fechtschritte üben oder mit dem Skateboard durch die Städte flitzen: Insgesamt drei Wochen verbrachten Jugendliche aus Polen, Deutschland und Frankreich im Juli 2022 miteinander auf Sportplätzen, in Turnhallen und Parks rund um Krakau, Hamburg und Bordeaux. Dabei erlebten sie, was es bedeutet, in Sportvereinen ehrenamtlich tätig zu sein. Und vor allem lernten sich die jungen Menschen aus drei Ländern intensiv kennen. Ermöglicht hat dies ein trilaterales Projekt, das zu den 13 Partnerschaften gehört, die am Wettbewerb um den Deutsch-Polnischen Jugendpreis 2021-2023 unter dem Motto „Bei mir und bei dir. Jugendaustauch lokal“ teilnehmen.
Trilaterales Projekt „Leidenschaft verbindet“
„Wir wollten zeigen, wie vielfältig der Sport ist und wie Jugendliche selbst aktiv werden können“, sagt Alexandra Stobrawa-Roberts von der TSG Bergedorf aus Hamburg. Die Turngemeinschaft stellte gemeinsam mit dem Fechtverein UKS Wolodyjowski im polnischen Siemianowice Śląskie und dem Skatepark des Le Hangar Darwin Sporting Club aus Bordeaux das trilaterale Projekt „Leidenschaft verbindet“ auf die Beine. „Uns ging es darum, eine Brücke von den anderen Standorten hin zum Jugendclub der TSG zu schlagen“, erzählt Stobrawa-Roberts, die als pädagogische Mitarbeiterin in der Jugendarbeit des Vereins tätig ist.
Bereits in der Vorbereitung des Austauschs waren die Jugendlichen mit großem Engagement dabei. Die Begeisterung sei auch Monate später noch spürbar, stellt Stobrawa-Roberts fest. „Viele sind offener und mutiger geworden, gehen leichter auf neue Mitspieler und Mitspielerinnen zu und bringen sich viel stärker ins Vereinsleben ein.“
Deutsch-Polnisches Jugendwerk besteht seit 1991
Der Deutsch-Polnische Jugendpreis wird seit 2009 alle drei Jahre vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk vergeben. Die Begegnung und Zusammenarbeit von jungen Menschen aus Deutschland und Polen zu fördern, ist zentraler Anspruch der Arbeit des DPJW. Auch Jugendbegegnungen mit einem dritten Land sind möglich – wie beim trilateralen Projekt der Sportvereine in Krakau, Hamburg und Bordeaux.
Das DPJW wurde 1991 im Zuge des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages gegründet. Seit Bestehen des Jugendwerks wurden rund 80.000 Projekte umgesetzt, mehr als drei Millionen junge Menschen nahmen daran teil. In den DPJW-Büros in Potsdam und Warschau unterstützen deutsch-polnische Teams den Jugendaustausch zwischen Schulen und außerschulischen Gruppen, aber etwa auch zwischen Gedenkstättenprojekten und berufsbezogenen Projekten. Es werden aber auch individuelle Jugendbegegnungen gefördert oder Berufspraktika im jeweils anderen Land vermittelt.
„Unsere Angebote sollen die gesamte Gesellschaft erreichen, auch sogenannte austauschferne Gruppen“, betont Thomas Hetzer, Leiter des Förderreferats Außerschulischer Jugendaustausch des DPJW. Das Projekt „Zusammen kommen wir weiter“ beispielsweise richte sich ausdrücklich an Jugendliche, für die eine Teilnahme an deutsch-polnischem Jugendaustausch nicht selbstverständlich ist. Zielgruppe sind Förder-, Haupt-, Real- und Berufsschulen, die den Jugendlichen in Zusammenarbeit mit Bildungsstätten internationale Erfahrungen ermöglichen.
„Bei diesen Kindern und Jugendlichen Interesse zu wecken, ist gar nicht so einfach“, sagt Hetzer. „Besonders Jugendliche mit Förderbedarf brauchen Angebote, bei denen sie auf Augenhöhe kommunizieren können.“ Wenn das gelinge, seien sie häufig in „Siebenmeilenstiefeln“ unterwegs. „In Jugendbegegnungen können sie Kompetenzen zeigen, die in der Schule nicht abgefragt werden – manche stellen fest, dass sie in der Teamarbeit ganz neue Aufgaben übernehmen, andere sind besonders kommunikativ oder handwerklich geschickt.“ Diese persönlichen Erfolge haben seiner Erfahrung nach nicht selten Einfluss auf den weiteren Lebensweg der jungen Menschen.
Eva-Maria Siegmund und Aldona Lortz berichten spürbar berührt von der Resonanz auf ihr gemeinsames Projekt, bei dem sie ihre Schülerinnen und Schüler auf Entdeckungstour schickten. Die Konrektorin der SINE-Cura Schule, einer Förderschule für Geistigbehinderte aus Gernrode bei Quedlinburg, und ihre deutschsprechende Kollegin der Sonderschule SOSW im polnischen Ostrzeszów verbindet eine inzwischen zehnjährige Schulpartnerschaft. Gemeinsam bewarben sie sich um den Deutsch-Polnischen Jugendpreis.
Mehr Respekt und Wertschätzung
Mit Hilfe der App Actionbound erkundeten die Jugendlichen im Rahmen des Projekts ihre nächste Umgebung. Dabei kümmerten sie sich etwa um einen Pfarrgarten, machten Fotos, erarbeiteten in der App einen Rundweg, malten Kirchen, Denkmäler oder besonders hübsche Plätze, die ihnen aufgefallen waren, und fertigten daraus einen Flyer für ihre Heimatorte an. „Als sie ihn schließlich in den Händen hielten, suchten alle gleich ganz aufgeregt nach ihren eigenen Kunstwerken“, erinnert sich Aldona Lortz. „Bei der Vorstellung im Rathaus von Ostrzeszów bekamen die Jugendlichen viel Lob.“
Bürgermeister, Einheimische, Kirchengemeinden und sogar manche Eltern waren überrascht davon, was die Schülerinnen und Schüler alles leisten können. „Mit dem Projekt haben wir gezeigt, was möglich ist“, berichtet Eva-Maria Siegmund, Konrektorin der SINE-CURA Schule im Harz. „Die Öffentlichkeit nimmt uns seitdem anders wahr, es ist einfach mehr Respekt und Wertschätzung für unsere Kinder da.“
source: deutschland.d