Die Sonne brennt auf Bayerns Städte. Straßen und Gebäude heizen zusätzlich, Stadtplätze glühen. Nur im Schatten kann man es einigermaßen aushalten. Doch am Theresienplatz in Straubing ist es viel angenehmer. Oberbürgermeister Markus Pannermayr hat sich etwas einfallen lassen.
Aus Metallplatten am Boden sprüht eine frische Abkühlung. “Es ist eine Anlage, die Sprühnebel erzeugt, um in der Umgebung die Temperatur etwas abzukühlen durch die Verdunstungskälte”, sagt Straubings OB dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
RKI: 2022 wohl 4.500 Hitzetote
Verdunstungskälte – also so ähnlich wie ein Kühlschrank für den Theresienplatz in Straubing. Das ist Teil einer Reihe von Maßnahmen, die die Stadt unternommen hat, um Hitzewellen etwas entgegenzusetzen. Denn vor allem für Ältere, für Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen sind Temperaturen über 30 Grad gefährlich. Das Robert Koch-Institut geht für 2022 von deutschlandweit rund 4.500 Todesfällen im Zusammenhang mit zu großer Hitze aus.
Es geht um den Schutz der Lebensgrundlagen
Es gehe also um den Schutz der Menschen, aber auch um den Schutz der Lebensgrundlagen, sagt Pannermayr. Denn die sehr heißen Tage im Sommer seien für die Menschen anstrengend. “Da überlegen sich viele: Gehe ich in die Innenstadt?”, erklärt der Politiker. In Straubing heißt das, wie an vielen Stadt- oder Gemeindeplätzen: Beton, Teer, Stein – all das reflektiert Hitze. “Deshalb sind wir dabei, die Innenstädte neu zu planen und so umzubauen, dass wir die Hitze auch erträglicher machen”, sagt er.
Viele Einzelmaßnahmen, kein großes Gesamtkonzept
Natürlich versuchen auch andere Städte Maßnahmen zu ergreifen, um sich dem Klima anzupassen: Wasser- und Grünflächen werden geplant, Flüsse renaturiert – “Klimaanpassung” heißt das Zauberwort. Das Problem: Es sind vor allem Einzelmaßnahmen. Also eher der Tropfen auf den heißen Stein.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagt: Bestehende Förderprogramme reichten nicht mehr aus – das große Rad müsse jetzt gedreht werden. “Ich glaube, wir müssten sogar das Grundgesetz ändern”, sagt er. Klimawandel und Klimaanpassung seien eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern mit der Folge, “dass der Bund gar keine Förderprogramme bräuchte, sondern direkt die Kommunen unterstützen könnte”. Es geht – wie so oft – ums Geld.
Alle Landkreise und Städte zu Maßnahmen befragt
Landsbergs Aussagen stützen eine groß angelegte Befragung aller deutschen Städte und Landkreise – auch in Bayern – die der BR zusammen mit NDR, WDR und Correctiv durchgeführt hat. 80 Prozent der bayerischen Landkreise haben teilgenommen. Die Antworten zeichnen ein klares Bild: Nur wenige bayerische Städte und Gemeinden sehen sich in der Lage, künftig erforderliche Extremwetter-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung finanziell umzusetzen.
53 Prozent der befragten Kreise gaben an, nicht einmal ein Konzept in der Schublade zu haben. Ein Hitzeaktionsplan wurde in nur acht Prozent der Kreise ergriffen: Erlangen, Nürnberg, Freyung-Grafenau, Stadt und Landkreis Würzburg sowie in unserem Beispiel Straubing. 92 Prozent der bayerischen Landkreise sind dagegen aktuell ohne Hitzeaktionsplan.
Grafik: Maßnahmen der Landkreise zur Klimaanpassung
Müssen es die Freiwilligen richten?
Zurück in Straubing. Mittlerweile zeigt das Thermometer 31 Grad im Schatten an. Christine Ratgeber ist Hitzepatin. Sie hilft als Freiwillige hitzegeplagten Senioren und Familien – heute erledigt sie Einkäufe für ein Ehepaar. Die beiden seien schlecht zu Fuß, beide über 80 Jahre alt und hätten Kreislaufprobleme, sagt Hitzepatin Ratgeber. Gerade die Hitze sei “auf jeden Fall gefährlich, weil einfach der Kreislauf so runtersackt. Deswegen ist es immer besser, wenn die nicht rausgehen, und Hitzepaten sind da sehr sinnvoll.”
Finanzierung im Gesetz ausgeklammert
Seit einem Jahr macht sie das ehrenamtlich. Auch hier zeigt sich, wie sehr Bayern auf seine Freiwilligen angewiesen ist. Als Grund für die schwache Umsetzung von Extremwettermaßnahmen nannten fast alle Landkreise das gleiche Problem: Das Geld fehlt. In Berlin arbeitet Bundesumweltministerin Steffi Lemke zwar an einem Gesetzentwurf. Danach sollen zwar alle Kommunen Konzepte entwickeln, um die Bevölkerung vor Extremwetter zu schützen – doch die entscheidende Frage der Finanzierung spielt im Gesetz keine Rolle.
Karte: Extremwetter-Ereignisse in Bayern
Quelle : BR24