Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der schnellen Einführung eines Tempolimits für Autobahnen erneut eine Absage erteilt. Beim Bürgerdialog in Füssen im Allgäu sagte er am Donnerstagabend, dass es dafür derzeit „keine Gesetzgebungsmehrheit“ gebe. Er habe das Thema zwar in seinem Wahlprogramm gehabt, „aber das reicht ja nicht“. Hintergrund ist, dass in der Koalition ein Tempolimit von der FDP abgelehnt wird.
Eine Frau hatte von Scholz wissen wollen, warum man trotz der ökologischen Probleme weiterhin mit 180 Kilometern pro Stunde in Deutschland über Autobahnen fahren dürfe. Mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung könne klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) eingespart werden, meinte sie.
Mehrere Bürger fragten Scholz bei dem sogenannten Kanzlergespräch nach Mobilitätsthemen. Scholz warb insbesondere für den weiteren Ausbau der Elektromobilität, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Es müsse mehr Schnellladesäulen geben, und E-Autos müssten billiger werden.
Außerdem warb er für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. So sei auch das Deutschlandticket eine Maßnahme, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen.
Scholz relativiert Klingbeils Vorstoß zum Ehegattensplitting
Den Vorstoß seines Parteivorsitzenden Lars Klingbeil für eine Abschaffung des Ehegattensplittings relativierte im Rahmen der Veranstaltung. Das Ehegattensplitting sei Gesetzeslage in Deutschland, aber es gebe „natürlich immer mal wieder Diskussionen, ob es nicht unverhältnismäßig ist, gerade bei denjenigen, die ein paar Hunderttausend Euro im Jahr verdienen“, erklärte der Bundeskanzler.
„Aber für die Normalverdiener hat niemand vor, eine Verschlechterung vorzuschlagen, was jetzt die steuerliche Belastung betrifft. Das glaube ich, ist zur Einordnung der Diskussion immer ganz wichtig“, fuhr Scholz fort.
Der SPD-Vorsitzende Klingbeil hatte in einem Interview statt der Einsparungen beim Elterngeld die Abschaffung des Ehegattensplittings für neue Ehen vorgeschlagen. „Wir schaffen endlich das Ehegattensplitting ab. Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen“, sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das Ehegattensplitting wurde 1958 erst auf Veranlassung des Bundesverfassungsgerichts ins Einkommensteuergesetz geschrieben.
Keine Bergwanderung mit Putin
Angesprochen darauf, mit welchen Persönlichkeiten er sich eine Wanderung von Schutzhütte zu Schutzhütte am ehesten vorstellen könnte, nannte Scholz den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. „Ich glaube, der käme auch mit“, sagte er.
Außerdem nannte Scholz den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, wie er ein Sozialdemokrat. „Das ist auch einer, von dem ich glaube, dass er auch sportlich mithalten könnte und das da ‘rüber schafft.“ Und dann gebe es da noch ein paar andere, „die ganz nett sind“. Mit einem Staatschef würde er gerade aber keine Wanderung machen, sagte Scholz: mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Bei den sogenannten Kanzlergesprächen will Scholz durch alle 16 Bundesländer reisen und sich vor Ort mit jeweils mehr als 100 Teilnehmern treffen. Er war in den vergangenen zwölf Monaten unter anderem bereits in Cottbus (Brandenburg) und Marburg (Hessen), begonnen hatte die Reihe im Juli 2022 in Lübeck (Schleswig-Holstein). Die Veranstaltung in Bayern war die achte Station. Der Bundeskanzler wolle erfahren, was die Menschen im Alltag bewege, erläuterte die Regierung den Ansatz der Reihe.
Am Freitag (11.00 Uhr) stellt sich der SPD-Politiker nur wenige Tagen vor seinem Urlaub für etwa 90 Minuten den Fragen der Hauptstadtjournalisten. Dabei dürfte es unter anderem um die Turbulenzen der letzten Wochen in der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP gehen und das Umfragehoch der AfD, die inzwischen auf Platz zwei hinter der Union und vor den Sozialdemokraten rangiert.
Aber auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte kurz nach dem Nato-Gipfel im litauischen Vilnius eine Rolle spielen. Scholz wird Anfang kommender Woche noch am EU-Lateinamerika-Gipfel in Brüssel teilnehmen und dann Urlaub im „befreundeten europäischen Ausland“ machen. Der Urlaubsort ist bisher nicht bekannt.
Quelle : Tagesspiegel