Die Preise fürs Wasser steigen. Und zwar nicht nur um ein paar Cent, sondern kräftig. Die Kunden der Wasserversorger spüren, dass die Teuerung kommt: nach Strom und Gas ist jetzt auch unser wertvollstes Gut dran. Schon jetzt gibt es große Unterschiede bei den Trinkwasser-Preisen. Zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Preis pro Jahr klafft in Hessen ein Unterschied von 732,51 Euro.
Ottrau – Spitzenreiter der Wasserpreisliste
Spitzenreiter auf der Liste der Gebühren und Preise aller hessischen Kommunen ist die Gemeinde Ottrau (Schwalm-Eder). Für einen Vier-Personenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 185 Kubikmetern fallen in Ottrau Gebühren von insgesamt 960,75 Euro pro Jahr an. Die Grundgebühr liegt bei 3,75 Euro im Monat, pro Kubikmeter Trinkwasser müssen die Ottrauer 4,95 Euro bezahlen.
Und Bürgermeister Jonas Korell (CDU) weist daraufhin, dass der Mengenpreis pro Kubikmeter rückwirkend zum Jahresanfang gesenkt (vorher 5,13 Euro) werden musste. Denn Preis-Senkungen oder Anhebungen unterliegen gesetzlichen Bestimmungen: In Deutschland sind die Kommunen für die öffentliche Trinkwasserversorgung zuständig.
Kommunen müssen kostendeckend arbeiten
In Hessen gilt das Gesetz über kommunale Abgaben (KAG). Die Kommunen können also nicht völlig frei entscheiden, wie viel Geld sie von ihren Bürgern für die Wasserversorgung verlangen. Wichtigste Regel: Die Kommunen müssen kostendeckend arbeiten.
Nehmen die Städte und Gemeinden über einen bestimmten Zeitraum zu viel Geld ein (Überdeckung), muss der Wasserpreis gesenkt werden. Ist es zu wenig (Unterdeckung), muss er steigen. In Ottrau musste die Gebühr jetzt sinken, weil in den zurückliegenden Jahren eine Überdeckung entstanden war.
Ottrau versorgt sich selbst mit Wasser
Die Gemeinde Ottrau hat sechs Ortsteile und 2.164 Einwohner. Wassermangel kennt die Gemeinde nicht: Sie versorgt sich komplett selbst. Eigene Quellen, eigene Infrastruktur. Deshalb sind die Preise so hoch.
Die Gemeinde hat drei Tiefbrunnen gebohrt, drei Hochbehälter für die Speicherung sowie eine Wasser-Entsäuerungsanlage gebaut und sie beschäftigt einen Wassermeister.
Bürgermeister Jonas Korell weiß, wie wichtig die störungsfreie Grundversorgung mit Wasser ist. Entsprechend intensiv kümmert der 30-Jährige sich darum. Es muss in die Wasserinfrastruktur investiert werden: bis 2029 satte 7,2 Millionen Euro. Für Ottrau ist das durchaus eine Herausforderung, die die Gemeinde als Eigenversorger allein bewältigen muss.
Lorsch – Hessenmeister in Sachen “günstiger Wasserpreis”
Im Süden Hessens findet sich das Gegenteil von Ottrau. Die Stadt Lorsch (Bergstraße) hat nach hr-Recherchen den niedrigsten Wasserpreis. Ein Vier-Personen-Haushalt mit 185 Kubikmeter Wasserverbrauch zahlt hier 228,24 Euro pro Jahr. Das sind mehr als 700 Euro Unterschied zum durchschnittlichen Wasserpreis der Gemeinde Ottrau. Wie kann das sein?
Die Stadt Lorsch hat fast sieben Mal so viele Einwohner wie Ottrau, 14.167 nämlich. Sie verfügt über ein doppelt so langes Wasserleitungsnetz, 66 Kilometer. Aber: Lorsch hat keine weit entlegenen Ortsteile, alles liegt nah beieinander. Und die Stadt betreibt ihre Wasserversorgung nicht allein.
Sie hat einiges ausgelagert: etwa Quellen suchen, Brunnen bohren und betreiben, Wasser aufbereiten und sich um Wasser- und Pumpwerke kümmern. Das macht der Wasserbeschaffungsverband Riedgruppe Ost (WBVRO). Mitglieder sind neben Lorsch noch die Gemeinde Einhausen, die Städte Bensheim und Zwingenberg sowie der Kreis Bergstraße. Lorsch teilt sich die Kosten mit den anderen Mitgliedern des Verbandes.
Wasserversorgung gemeinsam oft günstiger
Der Verband kümmert sich also um die Infrastruktur und stellt der Stadt dann die Aufwendungen in Rechnung. Das Wasser selbst kauft die Stadt Lorsch vom WBVRO. Für 0,57 Euro ohne Mehrwertsteuer pro Kubikmeter. Den Wasserkunden in Lorsch berechnet die Stadt eine Jahresgebühr von knapp 49 Euro für den Zähler. Und sie verlangt 0,91 Euro (ohne Mehrwertsteuer) pro Kubikmeter: Das sind 0,34 Euro mehr pro Kubikmeter, als sie an den Verband als Bezugspreis bezahlt.
Mit den Einnahmen aus der Wassergebühr bezahlt die Stadt die Instandhaltung und die Investitionen für das 66 Kilometer lange Leitungsnetz. Denn dafür ist sie selbst zuständig. Bei den Gebühren, die Lorsch fürs Wasser bekommt, gab es in den zurückliegenden Jahren Überschüsse – damit wurden Instandhaltung und Investitionen finanziert.
Pro Jahr müssen dafür zirka 300.000 Euro aufgebracht werden. Notwendig sind die Instandhaltung des Leitungsnetzes, gegebenenfalls seine Erneuerung, Absperrventile und so weiter. Sehr spürbar sind jetzt die allgemeinen Kostensteigerungen für Handwerker, Personal und Materialien. Die letzte Erhöhung des Kubikmeterpreises gab es 2013. Die Zählergebühr wurde in Lorsch zuletzt 2018 heraufgesetzt.
Überschüsse für den städtischen Haushalt
Bürgermeister Christian Schönung (CDU) erwartet allerdings in den kommenden Jahren keine Überschüsse mehr. Sollte also der WBVRO den Kubikmeterpreis erhöhen, dann müsste auch die Stadt Lorsch ihre Wassergebühren anheben. “Da wäre dann kein Spielraum mehr”, sagt der 54-Jährige: “Insgesamt fahren wir mit der Wasserversorgung im Verbund sehr gut. Aus eigener Kraft wäre das unter Kostengesichtspunkten kaum zu stemmen.” Es müsste ja auch qualifiziertes Fachpersonal gefunden und bezahlt werden.
In den vergangenen Jahren hatte die Stadt Lorsch aus der Mitgliedschaft im WBV Riedgruppe Ost regelmäßig Überschüsse erhalten. “Im Durchschnitt waren das etwa 100.000 Euro pro Jahr”, sagt Bürgermeister Schönung. Bei einem städtischen Gesamthaushalt von etwa 40 Millionen Euro pro Jahr macht das etwa 0,25 Prozent aus.
Wasserkunden haben keine Wahl
Ottrau und Lorsch – zwei Kommunen, zwei sehr unterschiedliche Gebühren, zwei unterschiedliche Methoden um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. In beiden Kommunen gilt: Die Wasserkunden haben keine Wahl. Konkurrenz gibt es nicht, die jeweilige Kommune oder der von ihr beauftragte Versorger, in der Regel die Stadtwerke, bestimmen, wie das mit dem Wasser läuft.
Es gab durchaus schon Beschwerden und Klagen gegen Wasserpreise. Die Landeskartellbehörde Hessen leitete 2008/2009 mehrere Verfahren gegen Versorger ein. Der Bundesgerichtshof fällte 2010 sogar ein Grundsatzurteil zu diesem Thema. Das hatte Folgen: Mehrere Versorger und Kommunen in Hessen wurden damals dazu verdonnert, ihre Wasserpreise um bis zu 20 Prozent zu senken.
Kommunen entzogen sich der Aufsicht der Kartellbehörde
Allerdings entzog sich dann ein Großteil der Kommunen, gegen deren Versorgungsunternehmen Wasserpreis-Verfahren liefen, daraufhin der Aufsicht der Landeskartellbehörde. Die darf nämlich nur die Preise von privatrechtlich organisierten Versorgern wie der Mainova AG in Frankfurt überprüfen.
Wenn Kommunen die Wasserversorgung selbst übernehmen und dafür eine “Gebühr” verlangen, ist die Kartellbehörde raus. Das hessische Wirtschaftsministerium teilte auf hr-Anfrage mit, dass etliche Städte und Gemeinden, wie zum Beispiel Gießen, Oberursel und Kassel, ihre Wasserversorgung rekommunalisierten. Das heißt, nicht mehr das Landeskartellamt, sondern die Kommunalaufsicht ist für die Aufsicht zuständig.
Mehrere Experten aus der Wasserwirtschaft sagten dem hr, der Wasserpreis sei ein “politischer Preis”. Namentlich zitiert werden wollte keiner von ihnen mit dieser Aussage. Die Politik scheue generell Preis- oder Gebührenerhöhungen.
Preiserhöhungen beim Wasser sehr wahrscheinlich
Generell lässt sich sagen: Die Tendenz beim Wasserpreis ist eindeutig steigend. In Hessen lag der Mittelwert der Wasserpreise 2022 bei 2,29 Euro/m³ und damit 0,14 Euro/m³ höher als im Jahr 2018 (2,15 Euro/m³). Die Wasserpreise sind nach Angaben des hessischen Wirtschaftsministeriums um 6,5 Prozent in den vergangenen vier Jahren gestiegen.
Manche Kommunen wie Runkel oder Langen haben zuletzt schon deutlich erhöht, andere kündigen Gebührenanstiege an. Für Karsten Specht, Vizepräsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), steht fest: Ohne flächendeckende Preisanpassungen wegen des massiven Investitionsbedarfs wird es nicht gehen.
Momentan ist Trinkwasser noch ein sehr preisgünstiges Produkt. Im Mittel kostet der Liter Trinkwasser in Hessen 0,2 Cent. “Jedes Kind hat heute mit zehn, elf, zwölf Jahren ein Handy. Da guckt gar keiner hin, das wird einfach bezahlt”, sagt Bernd Petermann, Geschäftsführer des Zweckverbandes Wasserversorgung Offenbach (ZWO). Wasser sei aber ein viel wertvolleres Gut. Er halte es für ausgesprochen wichtig, das in das Bewusstsein der Bürger zu bringen, so Petermann.
Quelle : Hessenschau