Seit 2009 sind die kommunalen Freien Wähler in Baden-Württemberg darauf bedacht, sich von der gleichnamigen Partei in Bayern abzugrenzen – sie sehen sich als das “Original”. Die Causa Aiwanger bringt sie dennoch in die Bredouille.
Alle aus dem Vorstand des Landesverbands der Freien Wähler Baden-Württemberg haben das schon einmal erlebt: mit der Aiwanger-Partei in einen Topf geworfen werden. “Ich habe mal eine Weiterbildung gemacht im Münchner Raum”, erzählt Annette Silberhorn-Hemminger, Stadträtin in Esslingen. “Wenn ich dann erzählte, ich bin kommunalpolitisch aktiv bei den Freien Wählern, dann geht bei manch einem schon die Augenbraue hoch. Und dann beginnt dieser Erklärungsmodus.”
Bei Monika Springer, Stadträtin im nordbadischen Weinheim, ist es ganz ähnlich. “Es ist irritierend. Man wird immer wieder darauf angesprochen, aber ich erkläre dann immer, wofür ich stehe”, erzählt sie.
Denn die Freien Wähler haben mit der Partei in Bayern nichts zu tun. “Das ist was ganz anderes. Wir sind keine Partei, wir sind eine Wählervereinigung”, erklärt der baden-württembergische Landesvorsitzende Wolfgang Faißt.
Abspaltung im Zuge des Höhenflugs
Doch warum gibt es diese Verwirrung überhaupt? Freie Wähler gibt es in Deutschland schon seit den 1950er-Jahren. Sie traten lange nur auf kommunaler Ebene an, pragmatisch, sachorientiert, vielfältig. Bewusst ohne Parteibuch. Doch Ende der 2000er kam es, beflügelt durch die Erfolge der Freien Wähler um Hubert Aiwanger in Bayern, zum Bruch.
Aiwanger und seine Anhängerinnen und Anhänger wollten mehr und gründeten die gleichnamige Partei. Diese tritt seitdem auch überregional an. Der Landesverband Baden-Württemberg ist bis heute strikt dagegen. Der trat sogar aus dem Bundesverband aus und ist weiterhin ausschließlich auf kommunaler Ebene aktiv, in Gemeinderäten und Kreistagen. Nach wie vor als “Nicht-Partei”.
Wählervereinigung scheiterte vor Gericht
Was blieb, sind zwei Organisation mit dem gleichen Namen: die neue Partei und die Baden-Württemberger, die sich weiter als das “Original” sehen. Sie sind sogar gerichtlich gegen die Namensgleichheit vorgegangen und damit gescheitert. Die Kombination der Wörter “frei” und “Wähler” sei nach Auffassung der Gerichte kein geschützter Begriff, erklärt Bernhard Schweizer, Kreisrat im Alb-Donau-Kreis und als Volljurist für die rechtlichen Belange im Kreisvorstand zuständig.
Seitdem müssen die Freien Wähler in Baden-Württemberg mit der Namensgleichheit leben. Und auch damit, dass die Partei mittlerweile auch hier bei Landtagswahlen antritt, wenn auch als politisch nahezu unbedeutende Kraft. Die Partei Freie Wähler in Baden-Württemberg hat sich zu Aiwanger bekannt.
Freie Wähler wollen an Erfolge anknüpfen
Die Debatte um das mögliche Aiwanger-Flugblatt hat dem Konflikt eine neue Dynamik bereitet. Im Juni nächsten Jahres sind in Baden-Württemberg wieder Kommunalwahlen. Die Freien Wähler wollen an alte Erfolge anknüpfen. Bei den Kommunalwahlen 2019 waren sie auf Gemeindeebene stärkste und auf Kreisebene zweitstärkste Kraft.
Heute hat sich der Vorstand in Renningen getroffen. Eigentlich, um die jährlichen Gespräche mit den Landtagsfraktionen – mit Ausnahme der AfD – vorzubereiten. Denn nur auf kommunaler Ebene anzutreten, heiße nicht, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nicht auch auf Landesebene zu formulieren. Doch schnell ging es auch um die Causa Aiwanger.
Die Frage stand im Raum: Wie erklären wir den Wählerinnen und Wählern vor den anstehenden Kommunalwahlen, dass wir nicht die mit den Skandalen sind?
Vorsitzender Faißt: Wir sind unabhängig
Der Vorsitzende Faißt sieht den einzigen Ausweg in Transparenz: Es gelte, immer wieder zu betonen, dass diese Freien Wähler anders seien als die in Bayern. “Wir haben kein Parteibuch, sind unabhängig und suchen die besten Wege vor Ort. Und wenn es die nicht gibt, dann schaffen wir die”, sagte er auf dem Treffen.
Die politische Einstellung einzelner Mitglieder sei erst einmal zweitrangig. Es werde immer nach der besten Lösung für die Kommune gesucht. Auch wenn das, bei den vielen unterschiedlichen Einstellungen, die sich unter dem Oberbegriff “Freie Wähler” in Baden-Württemberg sammeln, nicht immer einfach sei. Faißt betonte aber auch: Politische Extreme hätten bei seinen Freien Wählern nichts verloren.
Mitteilung soll Unterschiede betonen
Von Aiwanger distanzierte sich Faißt. Alles andere sei Sache der Partei Freie Wähler in Bayern, nicht seines Landesverbands. Der beschloss bei seinem Treffen in Renningen, noch am nächsten Tag eine Mitteilung zu veröffentlichen, in der die Unterschiede zwischen den Freien Wählern in Baden-Württemberg und der gleichnamigen Partei noch einmal deutlich herausgestellt werden.
Der Name Aiwanger wird darin mit keiner Silbe erwähnt. Ob das reicht, um zu verhindern, dass nicht doch etwas von der Debatte auch an ihnen hängen bleibt?
Quelle : tagesschau