Bayern wählt einen neuen Landtag. Söders Wiederwahl als Ministerpräsident gilt als sicher. Trotzdem sind viele Fragen offen. Fünf Gründe, warum die Wahl in Bayern spannend wird.
Selten war eine Wahl in Bayern so erwartbar und offen zugleich: Dass die CSU stärkste Kraft und Markus Söder wieder Ministerpräsident wird, gilt als ausgemacht. Aber die Nervosität und Spannung sind dennoch groß und viele Fragen offen:
1. Triumph oder Söder-Dämmerung?
Zwischen Himmel und Hölle liegen für Markus Söder an diesem Wahltag nur ein paar Prozentpunkte. Seit Wochen dümpelt die CSU in Umfragen zwischen 36 und 38 Prozent. Es ist noch nicht lange her, da war das schon Todeszone: 2008 wurden Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber wegen 43 Prozent von ihrer Partei vom Hof gejagt.
Die CSU kann sehr ungnädig sein mit ihren Vorsitzenden. Doch wie sich die Zeiten ändern: Dass Söder bei dieser Wahl sogar mit 35 Prozent noch davon käme, ist nicht ausgeschlossen. Das läge noch unter den historisch schlechten 37,2 Prozent aus dem Jahr 2018.
Die unverschuldete Aiwanger-Affäre, das zersplitterte Parteiensystem, das Ende des Phänomens “Volkspartei” – Markus Söder fallen viele Argumente ein, wenn es darum geht, die schwächelnden Umfrageergebnisse für die CSU zu erklären.
Was ihm hilft: Söder hat die Partei in den letzten fünf Jahren so radikal auf sich zugeschnitten, dass ein Gegenentwurf, Konkurrent oder innerparteilicher Herausforderer nicht in Sicht ist. Die joviale und in der Partei beliebte Landtagspräsidentin Ilse Aigner oder der sachliche und ebenso beliebte Europapolitiker Manfred Weber hätten zwar Ambitionen, aber ihnen fehlt der Killer-Instinkt, mit dem sich Markus Söder einst selbst gegen Horst Seehofer an die Macht biss.
Sollte Söders Ergebnis unter 35 Prozent fallen, dürfte es ungemütlich werden: die Führungsfrage unvermeidlich, die Kanzlerkandidaten-Ambitionen wohl am Ende. Und so wird die Wahl doch noch zur Schicksalswahl für Söder.
2. Machtverschiebung in der Bayern-Koalition?
Der Höhenflug der Freien Wähler beflügelt bereits die Fantasien ihres Vorsitzenden. Hubert Aiwanger fordert ein Ministerium mehr, sollte sich der Umfragehöhenflug der Freien Wähler im Wahlergebnis fortsetzen. Was Markus Söder versuchte, als “Fieberkurve” abzutun, wird langsam zum chronischen Höhenflug.
Bei einem Rekordwert von 16 Prozent lagen die Freien Wähler im ZDF-Politbarometer Anfang September. Wäre das auch das Wahlergebnis, könnten die Freien Wähler in Koalitionsverhandlungen breitbeiniger auftreten, als Markus Söder lieb ist.
Vier statt drei Ministerien wären die Kernforderung und würden die Machtverschiebung besonders sichtbar machen würde. Für Hubert Aiwanger wäre es ein Triumph, für Markus Söder eine kleine Demütigung.
3. Der Kampf um Platz 2
Völlig offen ist, wer zweitstärkste Kraft im neuen Landtag wird. Grüne, AfD und Freie Wähler liefern sich in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. 2018 zogen die Grünen als zweiter über die Ziellinie, zurzeit haben die Freien Wähler die Nase vor. Beim Kampf um Platz geht es um mehr als Symbolik.
Die stärkste Oppositionspartei bespielt eine größere Bühne als die anderen Parteien: Sie antwortet immer als erste auf den Regierungschef im Landtag und kann so den Ton prägen. Die SPD hat kaum Chancen auf Platz zwei, ihr droht ein Ergebnis in der Einstelligkeit.
4. FDP zwischen Hoffen und Bangen
Noch nie in der bayerischen Geschichte schaffte die FDP den Wiedereinzug in den bayerischen Landtag, stets flog sie nach einer Legislaturperiode wieder raus. Zuletzt 2013, nachdem sie fünf Jahre lang in einer Koalition mit der CSU unter Horst Seehofer regiert hatte.
Spitzenkandidat Martin Hagen droht nach fünf Jahren in der Opposition wieder das gleiche Schicksal: In Umfragen kommt die FDP seit Monaten nicht mehr über vier Prozent hinaus.
In Bayern tat sich die FDP schon immer schwer. Gegen den Negativ-Sog, der von der Berliner Ampel ausgeht, scheint Bayerns FDP trotz engagierter Oppositionsarbeit erst recht nicht anzukommen. Vor allem in der Corona-Pandemie entwickelte sich die bayerische FDP zu einem echten Gegenmodell zu Söders restriktivem Kurs der Anfangszeit. Ob die Mühen belohnt werden, wird sich heute zeigen – die Aussichten sind trüb.
5. AfD auf dem Vormarsch
Bayern war für die AfD bisher ein schwieriges Pflaster. Die konservative CSU und die in Teilen noch konservativeren Freien Wähler unter Hubert Aiwanger ließen weniger Platz im rechten Parteienspektrum als in anderen Bundesländern.
Zwar sind die Rechtspopulisten, die in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet werden, noch weit von Umfragewerten in anderen Ländern entfernt. Doch der Abstand zum Bundesdurchschnitt schmilz seit Wochen dahin. Die AfD hat sogar Aussichten, auf dem zweiten Platz hinter der CSU zu landen.
Quelle : zdf