Die Bayern-SPD ist bittere Wahlergebnisse gewohnt, aber die 9,7 Prozent von 2018 waren schon ein Tiefschlag. Nun soll Spitzenkandidat Florian von Brunn die Partei zurück in die Zweistelligkeit führen.
Zu Terminen in München fährt von Florian von Brunn, wenn immer möglich, mit seinem roten Herrenrad. Aber im Wahlkampf muss der SPD-Spitzenkandidat kreuz und quer durch Bayern touren. Oft per Zug, aber eben auch mit der schweren SPD-Dienstlimousine inklusive Fahrer.
Es ist von Brunns erster Landtagswahlkampf. Der langjährige Münchner Umweltpolitiker und ehemalige IT-Berater hat ein Bekanntheitsproblem im Freistaat. Beziehungsweise ein Unbekanntheitsproblem. Laut BR-BayernTrend kennen ihn inzwischen immerhin 42 Prozent der Menschen im Land, im Frühsommer lagen die Werte noch niedriger.
Von Brunn tourt also durchs Land, um sich bekannter zu machen, aber auch um Präsenz zu zeigen. Das ist im Flächenland Bayern, wo die SPD auf dem Land oft nicht einmal mehr Ortsvereine hat, extrem wichtig. Dabei stellt die SPD in Bayern rund 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, in rund zehn Prozent der über 2.000 Kommunen. Damit wüssten, so von Brunn stolz, mit rund vier Millionen Bürgern fast ein Drittel der Bevölkerung, dass die SPD regieren könne. Etwa in Städten wie München, Hof, Pfaffenhofen an der Ilm oder in der Gemeinde Drachselsried im Bayerischen Wald.
Von “15 Prozent plus X” spricht die SPD nicht mehr
Die Bayern-SPD würde deshalb auch nur zu gern mitregieren in Bayern und von Brunn dann Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern ablösen. Realistisch ist das aber nicht. In Umfragen liegt die SPD seit Monaten bei neun Prozent. Für eine Regierungsbeteiligung müssten CSU und Freie Wähler schon einen dritten Koalitionspartner brauchen, wonach es aber nicht aussieht. Laut ARD-BayernTrend kommen CSU (36 Prozent) und Freie Wähler (16 Prozent) zusammen auf eine komfortable Mehrheit und können ihre Wunschkoalition fortsetzen.
Sein ursprüngliches Wahlziel – “15 plus X” – wiederholt von Brunn auch schon lange nicht mehr. Inzwischen wäre man bei der SPD froh, zumindest ein zweistelliges Ergebnis holen zu können. Es wäre auch ein persönlicher Erfolg für den 54-Jährigen.
“Als Sozi ist man leidensfähig”
Bei der stolzen Nürnberger SPD, die den aktuellen CSU-Oberbürgermeister nur als vorübergehenden Wahl-Unfall sehen will, hat der Münchner von Brunn ein Heimspiel. Er trägt wie immer: schwarzen Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte. Unter den 300 Besuchern heißt es danach: Seine Rede habe Hand und Fuß, für mehr Mietwohnungen kämpfen sei richtig. Hoffentlich werde das Wahlergebnis nicht so schlecht wie befürchtet. “Aber als Sozi ist man ja leidensfähig.” Da mag Florian von Brunn noch so fleißig Wahlkampf machen – die jahrzehntelangen Wahlniederlagen nagen am Selbstbewusstsein der bayerischen Sozialdemokraten.
Denn mit der Bayern-SPD ging es in den vergangenen Jahrzehnten stetig bergab. Einen Ministerpräsidenten stellten die Genossen zuletzt in den 1950er- Jahren – seitdem regiert die CSU. Für den letzten Lichtblick bei Landtagswahlen sorgte die SPD-Spitzenkandidatin Renate Schmidt 1998 mit 28,7 Prozent, Münchens SPD-Oberbürgermeister Christian Ude holte 2013 immerhin noch 20,6 Prozent. Bei der Wahl 2018 blieben die Ergebnisbalken für die SPD und ihre Spitzenkandidatin Natascha Kohnen bei mickrigen 9,7 Prozent stehen.
Soziale Themen und eine Kanzler-Kampagne
Im Wahlkampf setzt die SPD auf soziale Themen: günstige Mietwohnungen, kostenlose Kita-Plätze, erschwingliche Pflege und gute Bildung für alle – alles drängende Probleme im Land, doch für die Wahlentscheidung spielen offenbar vor allem bundespolitische Themen eine Rolle. Laut BR-BayernTrend sind das Zuwanderung, Energiepolitik und Umwelt/Klima. Dabei hatte die Bayern-SPD für ihre Kampagne eigens auf die gleiche Werbeagentur gesetzt, die auch Olaf Scholz zum Kanzler machte.
Der Historiker von Brunn versucht mit Slogans wie “Bayern muss bezahlbar bleiben” und “Machen statt Södern” trotzdem zu punkten. Aber vor allem viele junge Wählerinnen und Wähler tendieren eher zu den Grünen, die als moderner gelten.
Scharfer Redner im Landtag
Im Landtag hat sich von Brunn als scharfer angriffslustiger Redner einen Namen gemacht, etwa bei der Aufarbeitung der CSU-Maskenaffäre oder zuletzt in der Debatte um Aiwangers populistische Äußerungen bei einer Demonstration in Erding. Auch von Brunns verbale Angriffe auf CSU-Ministerpräsident Söder, der ein “Meister im Ankündigen” sei, verfangen offenbar nicht.
Zu stark ist der Anti-Ampeltrend und zu wirkmächtig sind die Parolen von Söder und Aiwanger gegen Berlin, von angeblichen Schnitzel-Verboten und Gender-Pflicht.
Ständig von drohendem Fleischverbot zu reden, nennt von Brunn “Spaltung durch Fake News”. Aber die jubelnden Menschenmengen in den Bierzelten bei Auftritten von Söder oder Aiwanger zeigen: Die SPD kann mit ihrer Haltung die Mehrheit in Bayern nicht abholen. Und ihre sozialen Themen zünden nicht.
Innerparteilich lange umstritten
Der 54-jährige von Brunn kommt aus dem linken Arbeitnehmerflügel der Bayern-SPD. Die sozial-ökologischen Vordenker Johano Strasser und Erhard Eppler haben ihn geprägt. Sozial engagiert in der Münchner Mieterberatung und als bissiger Umweltpolitiker im Landtag ab 2013 – so hat sich von Brunn im harten innerparteilichen Streit an die Spitze von Fraktion und Landespartei gekämpft.
Als Einzelkämpfer und als all zu ehrgeizig geschmäht, war er lange nicht sehr beliebt in der SPD. Seine Kampfabstimmungen in Landtagsfraktion und Partei gewann er 2021 jeweils nur knapp. Die jetzt breitere Unterstützung in seiner Partei musste sich von Brunn hart erarbeiten. Sein Wille, sein Einsatz und sein Fleiß werden von der Partei anerkannt. Dass einer diesen Führungsjob engagiert und gerne macht, darüber sind die Genossen dankbar und froh. Vielleicht auch, weil sie wissen: Einen Besseren haben sie derzeit nicht.
Wer macht es sonst bei der SPD?
Womöglich haben von Brunn und CSU-Chef Söder hier etwas gemeinsam: Beide werden in ihren Parteien nicht unbedingt gemocht, aber respektiert. Und so kürten die Genossen Florian von Brunn im Oktober 2022 beim Parteitag mit rund 93 Prozent zum SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 8. Oktober.
Liegt die SPD am Sonntag über der Zehn-Prozent-Marke, zählt das schon als Erfolg für von Brunn. Schneidet die SPD erneut einstellig ab, setzt sich die Tristesse fort. Innerparteiliche Konkurrenten muss von Brunn aber auch dann wohl kaum fürchten. Es drängt sich bei der Bayern-SPD niemand auf, der den Job machen will.
Quelle : tagesschau