Als erster westlicher Staatschef seit Kriegsbeginn trifft der französische Präsident Emmanuel Macron den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Er wirbt für die Wiederaufnahme eines Friedensprozesses.
Seine Reise in den Nahen Osten solle „nützlich“ sein, hat Emmanuel Macron angekündigt. Diesem Ziel sollte das Vier-Augen-Gespräch mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas in Ramallah dienen. Der französische Präsident hob sich damit von anderen westlichen Staats- und Regierungschefs ab. Weder Bundeskanzler Olaf Scholz, noch der britische Premierminister Rishi Sunak und der amerikanische Präsident Joe Biden hatten dem als isoliert und delegitimiert geltenden Palästinenserpräsidenten eine Visite abgestattet. Aber Macron ist im Westjordanland nicht populär. Während seiner Begegnung mit Abbas verbrannten Demonstranten ein Porträt von ihm und skandierten frankophobe Sprüche. Frankreich unterstütze einseitig Israel, lautete der Vorwurf der Demonstranten.
Das gemeinsame Pressestatement nutzte der 87 Jahre alte Palästinenserpräsident, um „den wilden Angriff der israelischen Kriegsmaschinerie“ zu verurteilen. Den Angriff der Hamas hingegen verurteilte er nicht. Abbas behauptete, die „Zweistaatenlösung“ sei durch „Annexion, ethnische Säuberung und Apartheid“ ersetzt worden. Er sprach von mehr als 6000 Todesopfern im Gazastreifen durch israelische Angriffe unter Berufung auf die von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde. Abbas las seine Vorwürfe vom Blatt ab, während Macron zusehends irritiert in den Saal blickte. Macron beansprucht, ein Mann des Ausgleichs zu sein, und war deshalb nach seiner Solidaritätserklärung mit Israel in Jerusalem unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen ins Westjordanland gereist.
Wiederaufnahme eines Friedensprozesses als Voraussetzung für dauerhaften Frieden
Der französische Präsident hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu davon zu überzeugen versucht, dass die Wiederaufnahme eines Friedensprozesses Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden sei. An der Seite von Abbas betonte er am Dienstagnachmittag, diese Perspektive sei „die einzige, die der Bevölkerung berechtigte Hoffnung geben und verhindern kann, dass sich noch mehr Menschen den Trugbildern terroristischer oder radikaler Gruppen zuwenden.“ Macron bezeichnete die massiven Terrorattacken vom 7. Oktober als „politische Katastrophe“. Die Hamas, die eine terroristische Organisation sei, werde „mit dem gesamten palästinensischen Volk verwechselt“.
Bei seinen Äußerungen an der Seite von Abbas spielte die innenpolitische Dimension eine große Rolle. In Frankreich wird ihm von der propalästinensischen Linken eine Doppelmoral vorgehalten. „Nichts kann die Leiden der Zivilisten in Gaza rechtfertigen“, sagte Macron nach seinem mehr als einstündigen Gespräch mit Abbas. „Das Leben eines Zivilisten ist das Leben eines anderen Zivilisten wert, unabhängig von seiner Nationalität. Ein palästinensisches Leben ist ein französisches Leben wert, das wiederum ein israelisches Leben wert ist“, sagte er.
Der französische Präsident sprach die Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland an. „Es ist heute wichtig und liegt in der Verantwortung Israels, die Übergriffe einiger im Westjordanland und in Jerusalem gegen unschuldige palästinensische Bürger zu verhindern und zu bestrafen“, sagte er. Mehr als 90 Palästinenser sollen seit Beginn des Konflikts im Westjordanland von Siedlern oder der Armee getötet worden sein.
Keine Waffenstillstandsforderung von Macron
Frankreich hat bislang keinen Waffenstillstand gefordert. Macron sprach bei seiner Reise von „humanitärem Schutz“, um Hilfslieferungen zur Zivilbevölkerung gelangen zu lassen. Abbas forderte hingegen „permanente humanitäre Korridore” für die Zivilbevölkerung in Gaza. Macron erinnerte Abbas daran, dass er nach dem Terroranschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris im Januar 2015 gegen Terrorismus in Paris demonstriert hatte. An Abbas gerichtet sagte Macron: „Nichts rechtfertigt jemals terroristische Gewalt und Sie wissen es.“
Quelle : faz