Fremdsprachenverbot auf Demonstrationen, Versammlungen nur noch für Deutsche. Fast täglich gibt es neue Vorschläge, die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Was geht und was nicht.
Die Idee von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war so radikal, dass die frühere Bundesjustizministerin und heutige NRW-Antisemitismusbeauftragte schnell zurückruderte. Im WDR-Magazin Westpol hatte sie am Wochenende erklärt, dass die Versammlungsfreiheit eines von wenigen sogenannten Grundrechten sei, das nur Deutschen zustehe.
Leutheusser-Schnarrenberger legte der Polizei deshalb nahe, bei Versammlungsleitern mit ausländischer Staatsbürgerschaft “mal im Vorhinein ein Verbot auszusprechen” – Versammlungen von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft also stärker zu verbieten. Heute stellte sie gegenüber der dpa klar, dass natürlich auch Ausländer ein Versammlungsrecht hätten.
Doch auch NRW-Innenminister Herbert Reul denkt über Einschränkungen bei der Versammlungsfreiheit nach. Er sah die IS-ähnlichen Banner in den Straßen der Stadt Essen im Ruhrgebiet in der vergangenen Woche nicht gerne – und lässt sein Ministerium nun prüfen, ob Deutsch künftig die verbindliche Sprache auf Demonstrationen sein müsste und was gegen die Banner getan werden kann.
Die politische Debatte über die Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist also in vollem Gange. Doch wie ist die Rechtslage?
Die Versammlungsfreiheit als Deutschen-Grundrecht
Es mag erst einmal überraschend klingen, aber tatsächlich gilt die Versammlungsfreiheit nur für Deutsche. Das steht so wortwörtlich im Grundgesetz: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Wichtig ist aber: Natürlich haben Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und Staatenlose trotzdem das Recht zu demonstrieren. Für sie gilt lediglich ein anderes Grundrecht, nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit.
Ihr Recht sich zu versammeln, ist außerdem in anderen Gesetzen festgehalten, zum Beispiel im Versammlungsgesetz des Bundes. Dort steht, dass “Jedermann” das Recht hat, Proteste anzumelden und an ihnen teilzunehmen. Klar ist also: Egal welche Staatsangehörigkeit jemand hat – alle Menschen haben in Deutschland das Recht zu demonstrieren.
Versammlungsverbote nur an der Staatsangehörigkeit festzumachen, wäre deshalb verfassungswidrig. Ob eine Versammlung verboten werden darf, hängt von anderen Faktoren ab, nämlich davon, ob die Polizei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung prognostiziert – also beispielsweise gewaltsamen Protest.
Deutsch als Demo-Sprache?
Was ist nun mit Reuls Vorschlag von Deutsch als Demo-Sprache – ist so eine Auflage denkbar?
Bei genauerem Hinsehen ist so ein Fremdsprachen-Verbot auf Demonstrationen schwer vorstellbar. Das Sprechen einer Fremdsprache ist noch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Und selbst wenn die Polizei argumentieren würde, dass Demonstrationsteilnehmer die Fremdsprache nutzen würden, um Gewalt auszuüben, würde die Auflage Deutsch zu sprechen viele friedliche Teilnehmer in Mithaftung nehmen.
Banner-Verbote
Bei den arabischen Bannern aus der vergangenen Woche, die Reul gerne verbieten will, sieht es anders aus. Der Innenminister (CDU) störte sich vor allem an Flaggen, die denen des Islamischen Staats ähnlich sahen.
Solche Banner dürfen schon jetzt verboten werden. Denn unter das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen in Paragraf 86a im Strafgesetzbuch fallen auch solche Banner, die denen einer Terrororganisation ähnlich sehen. Auflagen, die bestimmte Banner, aber auch Parolen im Vorhinein verbieten, sind also möglich. Hier müsste die Polizei also nur geltendes Recht durchsetzen.
Ann-Kathrin Jeske ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle : zdf