In schwierigen Zeiten ändern sich die Briefe der Kinder. Neben Spielen und Zuckerwatte-Maschinen stehen nun auch Frieden und eine saubere Umwelt auf den Wunschzetteln.
Das Christkind residiert auf einem kleinen Thron im ersten Stock eines alten Baumwolllagers im oberbergischen Engelskirchen: Für die nächsten sechs Wochen ist hier der Sitz des Christkindpostamtes. Und heute ist der erste Arbeitstag, erklärt das Christkind den Fernsehteams, Journalisten und den Offiziellen der Deutschen Post, die eigens angereist sind.
Von heute bis kurz vor Weihnachten beantwortet das Christkind von hier aus (gemeinsam mit 19 Helferinnen und Helfern) die Briefe mit Wünschen und Wunschzetteln aus aller Welt. Knapp 135.000 waren es im letzten Jahr, aus 48 Ländern. Eine PR-Aktion vor LED-Kaminfeuer, bei der tatsächlich so etwas wie Herzenswärme aufzukommen vermag.
Dienstälteste Helferin in Engelskirchen 32. Jahr dabei
Die dienstälteste Helferin ist Birgit Müller: Im 32. Jahr bereits ist sie dabei. Wünscht sich ein Kind Gesundheit für seine kranke Mutter, legt sie dem Standard-Antwortschreiben und dem Bastelbogen ein paar selbstgeschriebene Worte bei.
Im Lauf der Jahre ist sie so etwas wie eine Expertin für Kinderwünsche geworden: “Früher sind Kinder anders aufgewachsen”, beobachtet Birgit Müller. “Die Wünsche waren fast ausschließlich materiell – Gameboy, Computerspiele, und am Ende der vordiktierte Satz der Eltern ‘und Frieden auf der Welt’. Das ist heute ganz anders. Die Kinder kriegen mit, was los ist.”
Sie machen sich Gedanken darüber, wie die Welt ist und wie sie sein sollte. Das spiegelt sich in den Wünschen wider.
Birgit Müller, Helferin beim Christkind
Vor allem Krieg und Umweltzerstörung beschäftigen viele Kinder. “Ich wünsche mir das überal auf der Welt frieden ist. Alle Menschen und Tiere solln freude an Weinachten haben”, hat Clara auf Erstklässler-Papier geschrieben.
Wünsche nach Frieden nehmen zu
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben Wünsche nach Frieden stark zugenommen. Auch, dass es keine Erdbeben mehr geben soll, oder keine Flut mehr kommt, schreiben Kinder. Auch Britta Töllner von der Deutschen Post, die das Christkindpostamt betreut, beobachtet:
Die Kinder sind viel wissbegieriger und integrierter in das Weltgeschehen.
Britta Töllner, Deutsche Post
Gleichzeitig zeugen nicht nur die verzierten und bemalten Briefe, sondern auch die Wünsche selbst von großer Kreativität: eine Zuckerwatte-Maschine, ein Aufräum-Roboter, oder “dass jeden Tag Kirmes ist”, sind da etwa aufgelistet. Andere Kinder denken praktisch und notieren eine “Smartwatsch” oder direkt den “Playmobil City Life 71202 Rettungswagen”, damit ja nichts schief geht.
Antwortschreiben des Christkinds in zwölf Sprachen
Dass das Christkind aus einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen Briefe beantwortet, hat sich längst weltweit herumgesprochen (aus dem brandenburgischen Himmelpfort antwortet übrigens der Weihnachtsmann). In zwölf Sprachen sind die Antwortschreiben verfasst, unter anderem auf spanisch und chinesisch, seit letztem Jahr auch auf ukrainisch.
Alle werden beantwortet – es sei denn, ein Kind vergisst vor Aufregung oder Vorfreude, seinen Absender anzugeben. “Das schmerzt”, sagt Birgit Müller, “wenn wir die Mühe sehen, aber dann nichts tun können.”
Warum ist sie seit 32 Jahren dabei? “Weil die Kinder so eine tolle Leichtigkeit haben: Eine Zuckerwatte-Maschine, ein Aufräum-Roboter. Trotz allen Ernstes auf der Welt bewahren sich die Kinder diese Leichtigkeit. Wir Erwachsenen schaffen das nicht”, sagt sie. “Die Kinder sind so vorbehaltlos.”
Bis zum 20. Dezember einen Brief an das Christkind schicken
Dann ist der erste Arbeitstag für das Christkind vorbei (zwischenzeitlich hat ihm noch eine Kinderschar aus einer nahegelegenen Kita seine Wunschzettel persönlich in die Hand gedrückt – ein lebendigeres Motiv für die Fotografen und Fernsehkameras als anonyme Briefstapel).
Dominik Müller-Russell ist ZDF-Reporter im Landesstudio Nordrhein-Westfalen.
Quelle : zdf