Sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten soll in Deutschland künftig als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt werden können. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf des Justizministeriums, der auf eine entsprechende Änderung des Völkerstrafrechts abzielt.
Die dort festgeschriebenen Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen sollen so angepasst werden, dass sie auch Delikte wie sexueller Übergriff, sexuelle Sklaverei und erzwungenen Schwangerschaftsabbruch umfassen.
Durch die Anerkennung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen können diese künftig in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden, auch wenn sie sich in anderen Ländern zugetragen haben. Dies geschieht im Rahmen des so genannten Weltrechtsprinzips.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) wertete den Kabinettsbeschluss als „deutliches Zeichen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“. Der Nachrichtenagentur AFP sagte die Ministerin: „Sexualisierte Gewalt, vor allem gegen Frauen, wird in Konflikten seit langem weltweit von Terroristen und in bewaffneten Konflikten systematisch und als taktische Waffe genutzt.“ Die Bundesregierung stärke nun „die Rechte der Opfer dieser schrecklichen Verbrechen, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, im Strafverfahren aktiv mitzuwirken“.
Nach Worten von Paus reagiert die Bundesregierung mit der Neuregelung auch auf Gräueltaten im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Zudem nahm die Grünen-Politikerin Bezug auf den Terrorangriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober gegen Israel: „Als Feministin empört und bedrückt mich die organisierte und inszenierte sexualisierte Gewalt der Hamas gegen jüdische Frauen bei dem terroristischen Angriff auf Israel.“
Rechte für Opfer von Völkermord und Kriegsverbrechen stärken
Mit dem Gesetzentwurf sollen laut Bundesregierung zudem die Rechte von Opfern von Straftaten wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestärkt werden. Sie und deren Angehörige sollen sich den in Deutschland geführten Verfahren als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger anschließen können. Wurden sie für die Nebenklage zugelassen, sollen sie zudem Anrecht auf eine psychosoziale Prozessbegleitung haben – ohne weitere Voraussetzung.
Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf darüber hinaus die „Rezeption und Verbreitung“ wichtiger deutscher Völkerstrafrechtsprozesse fördern. Nicht-deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten sollen demnach in Zukunft Dolmetschungen nutzen können. Übersetzungen „wegweisender Urteile zum Völkerstrafrecht“ soll es zudem künftig in englischer Sprache geben.
„Das Völkerstrafrecht hat seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dramatische Aktualität erlangt“, erklärte Justizminister Marco Buschmann (FDP) zum Kabinettsbeschluss. „Jetzt gilt es umso mehr, das internationale und deutsche Völkerstrafrecht mit Leben zu füllen.“ Mit dem Gesetzentwurf stärke die Bundesregierung die Opferrechte von Betroffenen von Völkerstraftaten, erleichtere die Rezeption deutscher Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch und schließe im deutschen Recht Strafbarkeitslücken.
Schutz für queere Menschen
Die SPD-Fraktion wies zudem auf die Bedeutung der Gesetzesänderung für den Schutz von queeren Menschen hin. Es sei „etwas Historisches“ gelungen, erklärte der queerpolitische Sprecher der Fraktion, Falko Droßmann. „Als erster und bisher einziger Staat weltweit wollen wir queere Menschen auch explizit unter den Schutz des Völkerstrafrechts stellen.“ Die Bundesregierung wolle ausdrücklich regeln, „dass queerfeindliche Verfolgung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein kann“.
Laut Gesetzentwurf soll der Straftatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Völkerstrafgesetzbuch, welcher auch die Verfolgung einer Gruppe oder Gemeinschaft einschließt, angepasst werden. Er soll demnach um die „sexuelle Orientierung“ als unzulässigen Grund für die Verfolgung ergänzt werden.
In Deutschland soll bald auch das Verbrechen des „Verschwindenlassens“ verfolgt werden. Das ist bislang nur möglich, wenn die Angehörigen nachweisen können, dass sie bei den Behörden oder bei lokalen Machthabern nach dem Verbleib der Verschwundenen gefragt haben. „Verschwindenlassen ist leider nicht nur in Syrien, sondern auch durch die russischen Besatzer im Osten der Ukraine gängige Praxis zur Einschüchterung der Bevölkerung“, sagte der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg.
Quelle : Tagesspigel