Bundeskanzler Olaf Scholz und der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva haben sich am Montag (4. Dezember) in Berlin für den Abschluss des Handelsabkommens zwischen der EU und Mercosur stark gemacht. Doch Frankreich und Argentinien stehen dem Abkommen zurzeit im Wege.
Das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Mercosur-Block (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) wurde 2019 nach rund 20 Jahren Verhandlungen abgeschlossen, aber die Unterschrift der Beteiligten steht noch aus.
Der Abschluss des Abkommens hängt von einem Nebenabkommen ab, das derzeit zwischen der EU und dem Mercosur ausgehandelt wird und das verhindern soll, dass der zunehmende Handel zur Abholzung des Regenwaldes, insbesondere des Amazonas, führt.
Deutschland und Brasilien, die größten Volkswirtschaften in ihren jeweiligen Handelsblöcken, befürworten das Abkommen, von dem sie sich eine nachhaltige Förderung des Handels erhoffen.
„Zu lange schon diskutieren wir über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (S&D) am Montagabend nach einer bilateralen Regierungskonsultation mit Brasilien vor dem „Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftsforum“ in Berlin.
„Jetzt geht es darum, das Abkommen über die Ziellinie zu bringen. Und deshalb werbe ich für Pragmatismus, auch auf Seiten der EU“, sagte Scholz und bezog sich dabei auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der am Wochenende am Rande der Klimakonferenz COP28 die Verhandlungen zu einem späten Zeitpunkt torpediert hatte.
Brasilien hatte gehofft, die Verhandlungen während seiner derzeitigen Präsidentschaft der Mercosur-Gruppe abschließen zu können. Diese läuft jedoch nur noch bis diesen Donnerstag (7. Dezember).
Macron sagte jedoch, er könne nicht „von unseren Landwirten, unseren Industriellen in Frankreich, aber auch überall sonst in Europa verlangen, dass sie sich um die Anwendung neuer Regeln zur Dekarbonisierung bemühen, und dann plötzlich sagen: ‚Ich hebe alle Zölle auf, um die Einfuhr von Produkten zu ermöglichen, die diese Regeln nicht anwenden‘“, berichtete Financial Times. Deshalb sei er gegen das EU-Mercosur-Abkommen.
Unterdessen hofft Deutschland, dass das Abkommen die Bemühungen des brasilianischen Präsidenten Lula unterstützen könnte, der versprochen hat, die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes bis 2030 zu beenden.
„Ich würde sagen, dass es jetzt, wo die Abholzung in zehn Monaten um 49 Prozent zurückgegangen ist, wo die Schaffung von Naturschutzgebieten wieder aufgenommen wurde, wo die Prozesse zum Schutz indigener Völker mit Investitionen wieder aufgenommen wurden, angesichts dieser Bedenken, die wir hier vorbringen, keine Ausreden mehr gibt, das Mercosur-Abkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen“, sagte Marina Silva, Brasiliens Umweltministerin, während der Konferenz.
Argentinien und Frankreich blockieren das Abkommen
Lula sagte: „Brasilien ist sehr daran interessiert, das Abkommen abzuschließen“, und erklärte, es gebe „technische Probleme“ beim Abschluss des Abkommens.
„Wenn der Bundeskanzler oder der Präsident nicht eingreifen, werden die Dinge nicht erledigt“, sagte er und kündigte an, dass er das Abkommen am Mittwoch und Donnerstag auf die politische Ebene der Außenminister und Präsidenten der Mercosur-Länder bringen wolle.
Auch Argentinien blockiert das Abkommen, da der scheidende Präsident Alberto Fernández, der das Abkommen zuvor befürwortet hatte, es an den gewählten Präsidenten Javier Milei übergeben will, der am Sonntag (10. Dezember) sein Amt antritt.
„Der Schachzug, den Argentinien jetzt gerade gemacht hat, zwischen dem Noch-Präsident Alberto Fernández und dem gewählten Präsidenten Milei, das ist natürlich, auf gut Deutsch gesagt, Mist“, sagte Barbara Konner, Geschäftsführerin der deutschen Außenhandelskammer in São Paulo, Brasilien.
„Ich fahre dorthin und versuche, ihn davon zu überzeugen, dass wir eine Einigung erzielen können“, sagte Lula über Fernández und fügte hinzu: „Wir können keine Einigung mit unserem Freund Macron erzielen, wenn der Bundeskanzler nicht seinen ganzen Charme einsetzt“.
Immer Ärger mit dem Nachbarn
„So fasse ich es ein bisschen spöttisch zusammen: So hat halt jeder seine Nachbarn. Wir haben die Franzosen und Sie haben die Argentinier“, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ein weiterer Befürworter des Abkommens, auf der Konferenz.
Habecks eigene Partei hat jedoch letzte Woche einen Antrag angenommen, in dem sie fordert, das EU-Mercosur-Abkommen „in seiner jetzigen Form“ aus Umweltschutzgründen abzulehnen.
Habeck sagte, Deutschland und Brasilien sollten sich auf den Fall vorbereiten, dass die offiziellen Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis führen.
„Im besten Fall [könnte] ein Non-Paper ohne Briefkopf, ohne Staatssiegel, ohne Unterschriften herauskommen. Aber eine Blaupause, die man anderen zeigen kann und sagen kann ‚Guck mal‘, Deutschland, die größte Wirtschaftsnation in Europa und Brasilien, das wichtigste Land der Mercosur-Staaten, so könnten wir es uns vorstellen“, sagte Habeck.
„Ehrlicherweise hat es bei CETA genauso geklappt“, fügte er hinzu und bezog sich dabei auf das Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und Kanada.
In Brüssel hat man die offiziellen Verhandlungen jedoch auch nicht aufgegeben, obwohl eine Reise von EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis nach Brasilien abgesagt wurde.
„Der politische Wille ist da, weiterzumachen. Das Fenster der Möglichkeiten ist jetzt offen“, hieß es aus EU-Kreisen.
Zusätzliche Berichterstattung von Kjeld Neubert und Max Griera.
Quelle : EURACTIV