Seit Ende August war Li Shangfu nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nun verkündeten die chinesischen Staatsmedien seine Entlassung. Über die Gründe hüllt sich Peking in Schweigen.
Der seit mehreren Wochen nicht mehr öffentlich in Erscheinung getretene chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu wurde seines Amtes enthoben. Das meldete das chinesische Staatsfernsehen am Dienstagabend (Ortszeit) unter Berufung auf eine Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses. Eine Nachfolge wurde bislang nicht bekanntgegeben.
Zudem sei Li nicht mehr Mitglied des Staatsrats, des zentralen Verwaltungsorgans Chinas, hieß es. Auch seinen Posten in der Zentralen Militärkommission der Kommunistischen Partei hat Li verloren. Der im Juli entlassene ehemalige Außenminister Qin Gang wurde ebenfalls von seinem Posten als Mitglied des Staatsrats entfernt. Zu den Gründen der Entlassungen machten die Staatsmedien keine Angaben. Wer für die beiden früheren Minister in den Staatsrat nachrücken soll, ist ebenfalls nicht bekannt.
Li ist das letzte Mal Ende August öffentlich aufgetreten. Zuvor ließ Staats- und Parteichef Xi Jinping bereits die gesamte Führung der Raketentruppe austauschen, eine der wichtigsten Teilstreitkräfte des Landes.
War Xi Jinping unzufrieden mit den Ministern?
Li und Qin bekleideten eher Randpositionen, wenn es um die Gestaltung der chinesischen Verteidigungs- und Außenpolitik ging. Gleichwohl waren Li und Qin erst im März in ihr Amt gekommen, was zumindest auf große Unzufriedenheit des Staats- und Parteichefs Xi Jinping deutete. Aller Welt wurde so neuerlich dessen undurchschaubares Handeln veranschaulicht, zumal Xi letztlich allein über solche Amtsenthebungen entscheidet.
Amerikanische Medien hatten bereits Mitte September unter Berufung auf US-Regierungsvertreter berichtet, dass Li sein Ministeramt verlieren solle. Der amerikanische Botschafter in Japan, Rahm Emanuel, äußerte damals auf der Plattform X die Vermutung, dass Li nicht zu einem geplanten Treffen mit dem Marinechef Singapurs erschienen sei, weil er „unter Hausarrest gestellt“ worden sei.
Li war erst im März dieses Jahres von Xi zum Verteidigungsminister ernannt worden. Zuvor leitete der studierte Ingenieur die Abteilung für Ausrüstungsentwicklung der Zentralen Militärkommission, des obersten Gremiums der chinesischen Streitkräfte. Seit Juli soll das chinesische Militär zu Korruption im Beschaffungswesen ermitteln. Im Zuge dieser Ermittlungen könnten im Zusammenhang mit Lis vorherigem Posten Vorwürfe zutage getreten sein, über die er nun gestolpert ist.
Xi fordert politische Loyalität des Militärs
Im September wurde auch der Präsident des Militärgerichts der Volksbefreiungsarmee wenige Monate nach seinem Amtsantritt wieder entlassen. In der Mitteilung am Dienstag wurde nun ein Nachfolger bekanntgegeben. Wenige Wochen zuvor hatte Xi vor obersten Militärs in Peking absolute politische Loyalität, Disziplin und die „absolute Führung“ der Kommunistischen Partei über die Streitkräfte betont. Manche verstanden dies dahingehend, dass Xi diese Elemente in der Volksbefreiungsarmee nicht erfüllt sieht und er den Streitkräften letztlich nicht traut. Als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist er deren Oberbefehlshaber.
Lange Zeit hatte Xi den Streitkräften ein für seine Verhältnisse hohes Maß an Selbstorganisation überlassen, sofern er sich der politischen Unterstützung sicher sein konnte. Die Entlassung und Neueinstellung eines Militärgerichtspräsidenten zeugt wohl davon, dass dieses Vertrauen gestört ist. Das Militär spielte in den Verlautbarungen des Staatsfernsehens vom Dienstag jedoch keine übergeordnete Rolle.
Vielmehr wurde über die sechste Sitzung des Ständigen Ausschusses des Vierzehnten Nationalen Volkskongresses berichtet, dass auch Wang Zhigang als Minister für Wissenschaft und Technologie abberufen und durch den Parteivertreter des Ministeriums Yin Hejun ersetzt wird, der damit beide Ämter inne hat. Zudem wurde wie erwartet auch Liu Kun als Finanzminister abberufen und durch Lan Fu’an ersetzt.
Quelle : faz